Manuskript
"Das Entstehen von Intelligenz - Wie die Schwarmintelligenz erwachsen wird"
Autor: Gernot Weiser
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Die Phasmiden sind so gut wie unsichtbar.
Deshalb haben sie auch den Beinamen Gespenstschrecken.
Man bemerkt sie nicht, wenn sie aus dem Geäst kriechen, selbst wenn man sie bereits ansieht.
Ihre Bewegung gleicht einem Blatt, das sich im Wind bewegt.
Denn genau das ist ihre Tarnung. Ihre Körper sehen täuschend echt wie Blätter eines Baumes aus.
Ihre Tarnung ist so raffiniert, dass man sich kaum vorstellen kann, wie so etwas möglich ist, ohne dass ein planender Geist - eine Intelligenz - dahinter steht.

Das Entstehen von Intelligenz
Wie die Schwarmintelligenz erwachsen wird


Intelligenz ist eines der großen noch verbliebenen Mysterien unserer Zeit.
Herauszufinden, was sie genau ist und woher sie kommt, wäre für manche wissenschaftliche Disziplin so etwas wie die Entdeckung des Grals.
Die Informatik hat einmal gewaltige Versprechungen bezüglich der künstlichen Intelligenz gemacht, um sich schließlich die Zähne an ihr auszubeißen.
Während Marketingfachleute sich größte Mühe geben uns vom Autositz bis zum Stromzähler alles als intelligent zu verkaufen, fallen solche Systeme doch eher durch fehlende Intelligenz auf.
Gleichzeitig fühlen sich Menschen zunehmend beunruhigt durch Algorithmen, die nicht intelligent wirken, aber dennoch in unseren Lebensraum eindringen wie Insekten, die knisternd durch Tür- und Fensterschlitze in die Wohnung kriechen: Algorithmen bieten ihre Dienste an, suchen günstige Angebote für uns im Web, analysieren unser Kaufverhalten, kaufen und verkaufen Aktien an der Börse in so hohen Geschwindigkeiten, dass kein Mensch mehr wirklich die Kontrolle darüber hat.
Algorithmen üben immer mehr Tätigkeiten aus, für die ursprünglich Menschen erforderlich waren.
Sucht die künstliche Intelligenz sich ihren Weg durch die Hintertür?
Wir sind auf dem Weg in eine Zeit, in der es unabdingbar geworden ist, ein grundlegendes Verständnis für den Begriff “Intelligenz” zu entwickeln.
Dabei stößt man aber schnell auf ein Begriffsdickicht, das uns Normalsterbliche leicht entmutigen kann.
Wenn man aber dieses Dickicht ein bisschen lichtet, löst sich einiges von den Schwierigkeiten in Wohlgefallen auf.
Genau das wollen wir hier erreichen.
In diesem Aufsatz geht es um das Entstehen von Intelligenz.
Dabei werden wir zu wesentlichen Fragen Erklärungen liefern, um die sich viele andere Untersuchungen lieber drücken.

Was wir Menschen über unsere Intelligenz wissen, ist erstaunlich wenig.
Das zeigt sich schon an den vielen unterschiedlichen Definitionen, die es von ihr gibt.
Zwar versucht man sie zu messen, und sogar künstlich herzustellen, aber eine Erklärung für Intelligenz ist die Wissenschaft schuldig geblieben.

Das ist umso erstaunlicher, wo doch  jeder einzelne von uns weiß, was intelligent ist und was nicht.
Mit erstaunlicher Geschwindigkeit und Sicherheit beantworten wir die Frage, ob ein Verhalten als intelligent zu bezeichnen sei mit "Ja" oder "Nein".
Das liegt daran, dass jeder einzelne von uns ein Spezialist in Fragen der Intelligenz ist.
Jeder Mensch ist nämlich in der Lage dieses Phänomen ununterbrochen zu beobachten und zu studieren - und zwar an sich selbst.
Tatsächlich gibt es keinen Menschen, der sie nicht in irgendeiner Form besitzt, die Intelligenz, auch wenn jeder schon einmal in Versuchung geraten ist, sie einem Mitmenschen absprechen zu wollen.  

Der Duden versteht unter Intelligenz die “Fähigkeit [des Menschen], abstrakt und vernünftig zu denken und daraus zweckvolles Handeln abzuleiten”.
Wie man schnell sieht, ist das Problem hier lediglich verlagert, nicht aber gelöst, denn mit dem Wort “denken” gerät man direkt in das nächste hart umkämpfte philosophische Dickicht.
Um die Frage, was “denken” sei rankt sich eine ganze Philosophie des Geistes und zahllose Diskussionen um chinesische Zimmer, Turingtests und dergleichen mehr.
Solche Probleme begegnen einem bei so ziemlich jeder Definition von Intelligenz.

Ansätze zur Beschreibung von Intelligenz gibt es diverse.
Einige davon befassen sich mit den Fähigkeiten, die mit ihr verbunden sind: Dazu gehören die Fähigkeit zum Lernen, zu Problemlösung, Kognition, Gedächtnis und Vorhersagen, mitunter auch Rationalität.
Wieviele Fähigkeiten genannt werden, und welche, hängt vom jeweiligen Modell ab.
Ein moderner Ansatz unterscheidet zwischen fluider und kristalliner Intelligenz, was vergleichbar ist mit dem angeborenen kognitiven Potential  und den erworbenen Fähigkeiten.
Eine größere Rolle wird für uns die Unterscheidung zwischen adverbialer und nominaler Intelligenz spielen.

Die gängigste Methode Intelligenz zu bestimmen ist bekanntermaßen der IQ-Test.
Dabei ist dieser aber bereits auf eine spezifische Intelligenz zugeschnitten, nämlich die menschliche.
In der Verhaltensforschung existiert eine Vielzahl von Experimenten, die den verschiedensten Tierarten eine unterschiedlich hohe Intelligenz unterstellen, darunter nicht nur Affen, sondern auch Delphine, Vögel und vieles mehr.
Aber unsere hochgradig ausgefeilten IQ-Tests sind für die Untersuchung intelligenter Tiere natürlich völlig nutzlos.
Auch was Computer angeht, also die sogenannte künstliche Intelligenz, gibt es ein gewisses Widerstreben, die gängigen IQ-Tests für diese als Maßstab zugrunde zu legen. Es schien bisher nicht so recht zu passen.


“Echte” Intelligenz

Besonders wenn es um künstliche Intelligenz geht, trifft man immer rasch auf die Ansicht, dass es sich dabei ohnehin nicht um “echte” Intelligenz handle.
Dieser Begriff von “echter” oder “richtiger” Intelligenz verdient eine besondere Aufmerksamkeit, weil er zwar unwissenschaftlich aber doch um so verbreiteter ist.
Obwohl sich keine klar umrissene Trennlinie benennen lässt, tendiert doch jeder Befragte dazu, unterhalb einer unbestimmten Schwelle nicht mehr von “echter” Intelligenz zu sprechen.
Dem einen erscheint das andressierte Verhalten eines Hundes als nicht “richtig” intelligent, während der andere Hunde und andere Säugetiere für hochintelligent hält, Schnecken und Würmer jedoch eher nicht.
Ungeachtet dessen, wer hier recht haben mag, wird dabei vor allem eines erkennbar:
Es gibt zwar keinen common sense darüber, was genau Intelligenz ist, aber es gibt einen Maßstab, einen oberen Bereich, an dem Intelligenz letztlich immer wieder gemessen wird:
Den menschlichen Verstand.
Dass diese Sichtweise anthropozentrisch ist, ändert nichts daran, dass die Betrachtungen immer wieder auf diese Perspektive verengt werden.
Auch wenn wir uns in dieser Untersuchung von diesem Paradigma lösen wollen, sollten wir überlegen, was das für unsere Vorstellung von Intelligenz bedeutet:
Es gibt Eigenschaften von Intelligenz, die wir stillschweigend voraussetzen, und die in der Regel nicht explizit ausgesprochen werden.
Typischerweise sind das Eigenschaften, die sich an die Themen “Bewusstsein” und “freier Wille” anlehnen.
Von einem “richtig” intelligenten Wesen wird erwartet, dass es eine eigene Entscheidung aus eigenem Antrieb fällen kann.
In diesem Eigen-Antrieb steckt sowohl die Wahrnehmung von sich selbst als auch ein Wollen, mithin die Grundformen von Bewusstsein und Intentionalität, die auch für die Philosophie des Geistes zwei Grundsäulen des menschlichen Verstandes darstellen.
Diese zwei Eigenschaften werden auch der sogenannten “höheren” Intelligenz zugeschrieben. Auch diese vermeintlich “höhere” Intelligenz ist ein sehr schwammiger, unwissenschaftlicher  Begriff, der bei der Eingrenzung des Themas nicht immer hilfreich ist, aber aus dem Diskurs nicht einfach ausgeklammert werden kann.
Wenn in diesem Fall also von “höherer” Intelligenz die Rede ist, wird es im weiteren Verlauf dieser Untersuchung weitgehend um “niedere” Intelligenz gehen, da das Entstehen von Intelligenz mit einfachen Grundformen begonnen hat.
Was nicht wirklich verwundern sollte.
Eine der wichtigsten Eigenschaften von Intelligenz, die aber für gewöhnlich immer unterschlagen wird, ist die Nutzenorientierung.
Wann immer ein Experiment versucht, die Intelligenz eines Tieres zu erfassen, ist der Versuch so angelegt, dass der Einsatz der Intelligenz dem Versuchstier einen Vorteil verschafft - oft der Zugang zu einer Futterquelle oder ähnliche Belohnungen.
In einem Experiment, in dem für ein Versuchstier nichts zu gewinnen ist, kann es schlicht keine Intelligenz beweisen.
Egal welche der Fähigkeiten unter dem Thema Intelligenz wir ansprechen, sei es Lernfähigkeit, Problemlösungsfähigkeit, oder andere - immer handelt es sich um Fähigkeiten, die dem Träger der Intelligenz einen Vorteil verschaffen.
Das bedeutet nicht, dass es sich hierbei um eine unverzichtbare Eigenschaft von Intelligenz handeln muss, sondern lediglich, dass wir den Nutzen unausgesprochen mit dem Begriff der Intelligenz verflochten haben.

Eine Definition für den Begriff Intelligenz zu finden ist also gar nicht trivial.
Was ist eigentlich in diesem Zusammenhang unter der vielzitierten Schwarmintelligenz zu verstehen?

Zunächst eine Unterscheidung:
Len Fisher trennt in seinem Buch “Schwarmintelligenz” klar zwischen der Schwarmintelligenz und der sogenannten “Weisheit der Vielen”.
Es handelt sich dabei nämlich nicht um das selbe.

Die Weisheit der Vielen


Die "Weisheit der Vielen" kann sich z.B. dann äußern, wenn eine Gruppe von Menschen eine Schätzung abgeben soll, bspw. über das Gewicht einer Kuh, oder die Zahl der Münzen in einem Glas.
Erstaunlicherweise sind die Ergebnisse solcher Schätzungen oft präziser als jede Schätzung eines Experten.
Dieses Phänomen lässt sich natürlich nützlich anwenden, und letztlich greifen demokratische Verfahren genau hierauf zurück.
Allerdings darf man diese Weisheit der Vielen nicht überschätzen und nicht zu sehr verallgemeinern, denn allzu oft wird dabei vergessen, dass sie nur dann wirklich zutage tritt, wenn keine der grundlegenden Voraussetzungen fehlt.
Hierzu nennt Len Fisher:
Dass die Gruppe inhomogen sein muss, also je größer die Meinungsvielfalt, desto besser.
Dass die Teilnehmer unvoreingenommen antworten, also die Meinung der anderen nicht kennen.
Und ein paar andere Bedingungen.
[1]
Im Ergebnis findet aber nicht die Mehrheit zum richtigen Resultat, sondern die gesamte Gruppe wenn man  ihren Durchschnitt ermittelt.
Dieser Effekt, der “Weisheit der Vielen” genannt wird, wird gerne als Beispiel von Schwarmintelligenz herangezogen. Im Grunde genommen kann das auch jeder so halten wie er möchte.
Es gibt aber gute Gründe die Schwarmintelligenz von diesem Effekt zu differenzieren wie auch  Len Fisher das tut.
Der Begriff der Schwarmintelligenz erfasst nämlich ein anderes Phänomen als die Weisheit der Vielen.
Schwarmintelligenz erzeugt ein Systemverhalten, und nicht einfach einen Output.
Dieses Verhalten kann unter anderem komplex und dauerhaft sein.
Schwarmintelligenz ist präzise  ausgedrückt ein spontan auftretendes Verhalten, bei dem die lokalen Einzelaktionen der Konstituenten das Verhalten des Systems im Ganzen wesentlich verändern.
[2]

Diesen Satz müssen wir im folgenden genauer unter die Lupe nehmen.
Was heißt das: Ein spontan auftretendes Verhalten, bei dem die lokalen Einzelaktionen der Beteiligten das Verhalten im Ganzen verändern?

Wir sind hier bei dem populär gewordenen Schlagwort, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile - eine Aussage, der lange Zeit etwas Esoterisches anhaftete, die heute jedoch eine gängige Aussage der Systemtheorie ist.
Mit dem spontan auftretenden Verhalten hat es eine besondere Bewandtnis.


Emergenz


Spontanes In-Erscheinung-Treten von Eigenschaften ist keineswegs etwas dem Zufall überlassenes.
Der Fachbegriff für das Phänomen spontanen Auftretens ist Emergenz.
Worum handelt es sich also dabei?
Obwohl ihre Bedeutung erst mit der Erforschung von Komplexität in den Fordergrund trat, gibt es für Emergenz sehr einfache Beispiele.
Eines davon findet man bei Betrachtung von Wasser.
Ein Wassermolekül hat bei genauer Betrachtung ein paar offensichtliche und verschiedene nicht ganz so offensichtliche Eigenschaften.
Es besteht aus einem Sauerstoff- und zwei Wasserstoffatomen, die Moleküle bilden sogenannte Wasserstoffbrücken, usw.
Betrachtet man diese Moleküle im einzelnen, dann entgeht einem eine sehr charakteristische Eigenschaft.
Auf makroskopischer Skala können sie nämlich als Flüssigkeit auftreten.
Die Eigenschaft des Flüssig-Seins besitzen die voneinander isolierten Moleküle nicht. Erst im Zusammenspiel treten all die Eigenschaften wie Strömungsverhalten oder  Oberflächenspannung zutage, die für eine Flüssigkeit typisch sind. Solche Eigenschaften haben nichts mit metaphysischen Betrachtungen zu tun, sondern sind zweifelsfrei differenzierbar und wissenschaftlich nachvollziehbar.
Wenn ein System im Ganzen betrachtet Eigenschaften aufweist, die seine Bestandteile für sich betrachtet noch nicht hatten, handelt es sich um emergente Eigenschaften, also um Emergenz.
Im englischen bedeutet das Wort "emerge" entstehen.
In der Tat sind emergente Eigenschaften solche, die durch das Zusammenspiel von Systemkonstituenten entstehen.
Kehren wir also zurück zu dem Satz über Schwarmintelligenz, etwas vereinfacht:

Schwarmintelligenz ist ein spontan auftretendes Verhalten, bei dem die lokalen Einzelaktionen der Schwarmmitglieder das Verhalten des Systems im Ganzen wesentlich verändern.
Wie kann man sich das vorstellen?
Man denkt bei dem Wort "Schwarmintelligenz" automatisch an Tiere in Schwärmen und Herden.
Dabei bringt jedes Tier eine gewisse Mindestintelligenz als Individuum mit.
Wieso ist man nun überhaupt jemals auf die Idee gekommen, von einer Schwarmintelligenz zu sprechen, so als besäße der Schwarm für sich betrachtet eine Intelligenz, die man separat von der Intelligenz der einzelnen Tiere untersuchen könnte?
Wäre es nicht einfacher gewesen von der kollektiven Intelligenz des Schwarms zu sprechen, oder  vielleicht von einer additiven Intelligenz, einer Intelligenz, die sich aufsummiert?
Genau das ist es aber nicht, was der Begriff der Schwarmintelligenz bezeichnet.
Das Geheimnis liegt etwas tiefer verborgen.
Die Schwarmintelligenz ergibt sich nämlich nicht aus der Summe der einzelnen Intelligenzleistungen der Individuen.
Sie ist vielmehr emergent, das heißt sie erscheint spontan, und sie tut dies nicht durch die Intelligenzleistung  der einzelnen Tiere, sondern völlig unabhängig davon.
Sie entsteht aus der Art und Weise wie das jeweilige System organisiert ist.
Tatsächlich kann sie auch ohne das Beisein von Tieren oder Schwärmen auftreten, und wie das funktioniert, werden wir im weiteren Verlauf erläutern.
An dieser Stelle sollten wir zwischen adverbialer und nominaler, bzw. zwischen prozessualer und inhaltlicher Intelligenz differenzieren.

adverbiale und nominale Intelligenz
Was sich hier kompliziert anhört, ist nichts weiter als eine Unterscheidung, die jedem von uns geläufig ist:
Ob ein Mensch intelligent ist, beurteilen wir danach, was jemand sagt und tut. Und abhängig davon halten wir ihn für mehr oder weniger intelligent. Wie auch immer unser Urteil aber ausfällt, jeder Mensch hat sie, die Intelligenz. Wir halten sie für etwas, das man entweder besitzen kann oder eben nicht, ganz so wie  etwas nur tot oder lebendig sein kann.
Ein Lebewesen, das denken und verstehen kann, hat Teil an diesem Phänomen.
Hier spricht man von nominaler oder inhaltlicher Intelligenz.
[3]
Anders verhält es sich mit der sogenannten adverbialen oder prozessualen Intelligenz.
Bei manchen Dingen ist man geneigt von einer intelligenteren Lösung zu sprechen.
Beispielsweise gibt es Verkehrsampeln, die nicht stur im Minutentakt von grün auf rot schalten, sondern die Grünphase auf der Hauptverkehrsader erst unterbrechen, wenn ein Auto auf der Seitenstraße an die Ampel kommt.
Man spricht hier von einem intelligenteren System. Aber niemand meint damit natürlich, dass die Ampel tatsächlich an einem göttlichen Funken der Intelligenz teilhabe.
Ein weiteres Beispiel:
Wenn es darum geht ein schweres Gewicht an einem Seil in die Höhe zu ziehen, die Kraft der Anwesenden aber hierfür nicht ausreicht, dann ist vielleicht jemand anwesend, der clever genug ist einen Flaschenzug zu errichten, mit dem das Unterfangen gelingt.
Im Vergleich zu dem bloßen Seil, wird der Flaschenzug die Anerkennung für die intelligentere Lösung bekommen. Natürlich wird die Intelligenz als Fähigkeit (also die nominale Intelligenz) hier der Person zugeschrieben, nicht dem Flaschenzug. Dennoch ist es nicht unüblich den Flaschenzug als die intelligentere Lösung zu bezeichnen. Diesem wird also die adverbiale Intelligenz zugeschrieben.
Und neben gegenständlichen Dingen kann dieses Etikett der adverbialen Intelligenz natürlich einem Handeln angheftet werden.
Man spricht etwa von einem klugen Schachzug. Oder von einem intelligenteren Verfahren.
Niemand meint damit, dass einem Handeln selbst Intelligenz innewohnen könnte.
Es handelt sich hier um den adverbialen Gebrauch des Wortes “intelligent”. 
Verhaltensweisen können nicht per se intelligent sein. Schließlich bedarf nominale Intelligenz einer Art Träger wie eines Gehirns oder vielleicht eines Computers, eines Mediums, das sie beinhaltet.
Tun und Handeln, Verhaltensweisen, Vorgänge und Prozesse können wohl kaum ein Träger der Fähigkeit sein, die wir als Intelligenz bezeichnen.
Deshalb würde man hier als letztes suchen, wenn man den Ursprüngen der Intelligenz auf die Spur kommen wollte.
Es sei denn man sucht nach den Ursprüngen der Schwarmintelligenz.
Die Natur setzt in vielen Fällen nicht auf die Intelligenz ihrer Individuen sondern auf die intelligentere Lösung - also auf das intelligentere System.
Wenn ein Flaschenzug eine intelligentere Lösung sein kann als ein Seil, dann bringt die Natur zahllose Flaschenzüge in ihren Systemen unter.
Wie genau sie das tut, und weshalb sie dazu keiner nominalen Intelligenz bedarf, klären wir in den folgenden Abschnitten.
Hierfür sehen wir uns zunächst an, wie so eine intelligentere Lösung, so ein Flaschenzug der Natur aussehen kann.
Das klassische Beispiel für das Auftreten von emergenter Intelligenz ist der Ameisenalgorithmus.
Er ähnelt dem, was Schrödingers Katze für die Quantenphysik ist:
Sie sind beide kompliziert genug um unverstanden zu bleiben, enthalten aber ein Tierchen, das den Eindruck von Anschaulichkeit erweckt, daher werdern sie ständig bemüht, nur selten aber richtig erklärt und noch seltener verstanden.
Wir werden den Ameisenalgorithmus hier in aller Gründlichkeit erklären, denn er enthält  gleich mehrere Prinzipien, die wir für das Verständnis der Schwarmintelligenz benötigen.

Der Ameisenalgorithmus

Wie finden Ameisen den kürzesten Weg zwischen ihrem Bau und einer Nahrungsquelle wie, sagen wir:  Einem offenen Marmeladeglas auf der Terasse?
Zunächst würde man annehmen, dass sie sich einfach ihrer Augen bedienen. Aber ganz so einfach ist es natürlich nicht. Ameisen finden den kürzesten Weg auch wenn sie um mehrere Ecken zu der Futterquelle gelangen müssen.
In erster Linie hinterlassen sie Duftspuren aus Pheromonen für ihre Artgenossen. Damit könnte man sich als Antwort schon zufrieden geben. Allerdings reicht auch das nicht. Duftspuren führen die Artgenossen auf irgendeinen ursprünglich gefundenen Weg zum Futter, aber wie kommt es, dass sich der Weg der Artgenossen immer weiter verkürzt und optimiert, so dass die klassische Ameisenstraße entsteht?
Zum Verständnis brauchen wir den Begriff der Rückkopplung.

Positive Rückkopplung

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen der selbstregulierenden und der selbstverstärkenden Rückkopplung.
Jeder hat schon einmal eine Rückkopplung gehört: Das ist bspw. das schmerzhaft schrille Pfeifen, das man auf Life-Konzerten oft hören kann.
Ein Geräusch wird von einem Lautsprecher so laut ausgegeben, dass das Mikrofon es aufschnappt und direkt wieder auf den Lautsprecher ausgibt, der es dann noch lauter zurückwirft.
Das Geräusch schaukelt sich auf und wird zum Schrillen Pfeifen.
Diese selbstverstärkende Rückkopplung taucht nicht nur in technischen Geräten auf. Im Gegenteil, die Welt ist voll von solchen Rückkopplungseffekten.
Wir veranschaulichen uns ihre Bedeutung mit einem Bild, auf das wir im späteren Verlauf immer wieder zurückkommen werden:

Die Brückenbauer

Stellen wir uns einen Wettbewerb zwischen zwei Brückenbauern vor. Ein großer und ein kleiner Mann stehen an zwei seichten Stellen eines Flusses und planen jeweils eine Brücke zu bauen, indem sie Reihen von Backsteinen in das Wasser legen. Auf der anderen Seite wartet schon ein ganzes Dorf um beiden unterstützend zur Seite zu stehen. Auf jeder fertigen Reihe kann ein Helfer stehen.
Es ist allerdings ein ungleicher Wettbewerb. Denn der große Brückenbauer baut an einer Stelle, an der der Fluss doppelt so breit ist wie bei dem Kleinen.
Einige Dorfbewohner schließen Wetten ab, dass der der kleine Mann doppelt so schnell sein würde.

Was geschieht also nach dem Startpfiff? Beide bauen in etwa gleich schnell, und der kleine Mann kommt bereits am anderen Ufer an, während der Große gerade mal auf halber Strecke ist. Der Vorsprung vergrößert sich zusätzlich, weil der Kleine ja nun einen Helfer zur Seite hat. Deshalb schafft er den Rückweg sogar noch bevor der Große seine erste Überquerung beendet.
Als der große Mann mit seinem Helfer wieder an seinem eigenen Ausgangsufer ankommt, ist der kleine nicht nur schon doppelt so weit, sondern hat schon einen erheblich größeren Vorsprung, weil jede fertige Reihe ihm zusätzliche Helfer einbringt.
Bald wird deutlich, dass der kleine Brückenbauer nicht nur doppelt so schnell ist, sondern im Verhältnis zu dem großen immer schneller vorankommt.
Der kleine Bauer war also nicht nur doppelt so schnell, sondern konnte seinen Vorteil exponentiell ausbauen.

Beide haben sich Rückkopplungseffekte zunutze gemacht, denn beide haben umso mehr Helfer zur Verfügung, je weiter sie kommen.
An dem Verlauf des Wettkampfs indes, zeigt sich die besondere Dynamik solcher Prozesse.
Kleine Unterschiede in den Anfängen können zu riesigen Unterschieden im Ergebnis führen. Was hier geschehen ist erleichtert nicht nur das Verständnis für den sogenannten Ameisenalgorithmus, sondern auch für die Dynamik der weiteren Rückkopplungseffekte, die wir ansprechen werden.

Kehren wir also zurück  zu den Ameisen. Hier findet ein ähnliches Rennen statt. Tun wir so, als ob auch in diesem Fall eine kleine und eine große Ameise in's Rennen gehen.
Stellen wir uns vor, dass zwei Ameisen gleichzeitig an einem Stück Zucker ankommen.
Beide brechen sich etwas davon ab, nehmen es huckepack und machen sich auf den Weg nach hause, um das Futter dort in's Lager zu bringen.
Die beiden gehen aber nicht den gleichen Weg, sondern der Weg der großen Ameise ist doppelt so lang wie der Weg der Kleinen, einfach weil sie Pech hat und sich für die ungünstigere Route entschieden hat.

Wir sehen hier bereits die Ähnlichkeit zu den Brückenbauern:
Wenn die große Ameise noch auf halber Strecke ist, trifft die kleine bereits zuhause ein, wo sie einer weiteren Ameise am Eingang begegnet.
Entscheidend ist, dass Ameisen eine Duftspur hinterlassen, die ihren Artgenossen signalisiert,  dass sie von einer Futterquelle kommen.
Deshalb wartet die Ameise am Eingang nicht lange, sondern folgt gleich dem Duft um ebenfalls etwas  von dem Zucker ab zu bekommen. Und auch die kleine Ameise macht sich gleich wieder auf den Rückweg.
Als die große Ameise am Nest ankommt, sind die zwei anderen längst wieder bei dem Zuckerstück.
Und wie bei den Brückenbauern, vergrößert sich ihr Vorsprung immer mehr.
In der Realität gibt es natürlich zahlreiche Umstände, die die Perfektion dieses Modells  beeinträchtigen. Aber weil schon der kleinste Streckenvorteil sich exponentiell auswirkt, werden Abweichungen von dem hier dargestellten Modell rasch kompensiert.
Für jede dieser Abweichungen tritt der gleiche Effekt ein, wie zu Beginn: Der kürzere Weg setzt sich durch.
Das überproportionale Wachstum bei selbstverstärkenden Rückkopplungen hat einen durchschlagenden Effekt.
Am Ende verläuft die Ameisenstraße auf dem kürzesten Weg.
Nicht die Pheromone sind hierfür ausschlaggebend, sondern die zugrundeliegende Mathematik.  
Wir werden nicht zum letzten mal von den Brückenbauern gesprochen haben.
Die Ameisen profitieren von dem beschriebenen Effekt dadurch, dass sie ihren Aufwand für die Beschaffung der Nahrung minimiert haben. Wir haben hier eine Art Flaschenzug gefunden, eine intelligente Lösung für ökonomische Sachzwänge.
Entscheidend ist, dass hierfür keinerlei Intelligenzleistung von den Ameisen verlangt wird. Die Lösung entsteht aus den Prinzipien des Systems heraus.
Dass das so ist, lässt sich vor allem dadurch zeigen, dass man diese Prinzipien mathematisch abbilden und von unbelebten Entitäten nachahmen lassen kann. Als Ameisenalgorithmen bezeichnet, werden sie unter anderem für die Lösung logistischer Probleme verwendet, etwa bei der Streckenplanung von Lieferfirmen. [Miller: Die Intelligenz des Schwarms S.37]
Das Systemverhalten, das wir hier beobachten, wird auch dann auftreten, wenn wir die Ameisen von hirnlosem, mechanischem Spielzeug imitieren lassen. Der besagte  Ameisenalgorithmus fordert Mathematikern einen gewissen Respekt ab, besonders weil er eine einfache Lösung für eine Problemstellung darstellt, die anderweitig mathematisch höchst kompliziert zu lösen wäre.
Die Ameisen sind einzeln zu der besagten Leistung nicht in der Lage. Ihre Gemeinschaft als System erzeugt jedoch ein Verhalten, für das ansonsten eine hohe Intelligenzleistung erforderlich wäre.

Wir würden uns sicher schwertun dem System als solchem eine eigene Intelligenz zuzusprechen. Dennoch ist das Resultat des Systemverhaltens das gleiche wie das einer echten Intelligenzleistung. Daran ist nichts Geheimnisvolles, außer vielleicht der Mathematik.

Mehrere Prinzipien lassen sich am Ameisenalgorithmus darstellen:
Erstens das Prinzip der selbstverstärkenden Rückkopplung.
Zweitens der Umstand, dass aus primitivem Verhalten von Einzelnen ein komplexes Gesamtverhalten entstehen kann.
Drittens die Erkenntnis, dass etwas, das oberfläch chaotisch aussieht dennoch einer komplexen Ordnung folgen kann.
Und diese komplexe Ordnung braucht keine weitere Zutat als die einfachen Regeln, denen die Individuen folgen.
Auch dieser Einfachheit werden wir wieder begegnen.

Gibt es noch andere Beispiele für Systeme, die ein Verhalten zeigen, das im Resultat der Wirkung einer Intelligenzleistung ähnlich ist?
Es gibt einige deutlich einfachere Beispiele:
Die Schwarmbildung selbst ist ein Verhalten, von dem ein Tier, bzw. die ganze Gruppe profitiert.

Intelligenz in selbstorganisierenden Prozessen

Einer der Vorteile ist, dass der Schwarm als ganzes wie ein Wahrnehmungsorgan funktioniert. Ein kleiner Vogel etwa muss permanent auf der Hut vor größeren Angreifern sein, wenn er im Alleingang unterwegs ist. Reist er hingegen im Schwarm kann er sich darauf verlassen, dass irgendeiner seiner Begleiter einen möglichen Angreifer schon in großer Ferne wahrnehmen wird. Das Prinzip ist auch unter Landtieren wie den Murmeltieren bekannt. Sobald der erste aus der Kolonie den kleinsten Schatten eines Greifvogels sieht, warnt er die anderen mit einem Pfeifton, und im nächsten Augenblick ist die gesamte Kolonie unter der Erde verschwunden.
Einem Vogel der im Schwarm unterwegs ist, entgeht einfach schon deshalb fast nichts, weil viele Augenpaare mehr sehen als eines.
Auch in diesem Fall haben die Lebewesen sich nicht selbst Gedanken gemacht und ein Konzept ausgearbeitet, sondern solche, die zur Schwarmbildung neigten, hatten einfach bessere Überlebenschancen und konnten so ihre Gene weitergeben. Der Mechanismus der Selektion greift auch hier.

Lange Zeit war es rätselhaft, wie es möglich ist einen Schwarm zusammenzuhalten, ohne  dass eine zentrale Intelligenz die Steuerung der Individuen übernimmt.
Bei Menschen ist es schließlich so, dass eine Armee kopflos oder handlungsunfähig erscheint, wenn der Anführer verloren geht.
Wo verbirgt sich also die zentrale Intelligenz, die den Schwarm steuert?
Die Lösung ist gerade in ihrer Einfachheit genial.
Man weiß heute, dass eine Hand voll einfachster Regeln genügt damit ein Schwarm entsteht und erhalten bleibt.
Der Biologe Brian Partridge fand Anfang der 80er Jahre heraus, dass die Fische eines Schwarms einfachen Regeln folgen: Folge dem Fisch vor dir, halte die Geschwindigkeit des Fisches neben dir und vermeide Kollisionen.

In der Einfachheit solcher Algorithmen liegt gerade auch ihre Brillianz.
Ein schönes Beispiel für die Erzeugung von Schwarmintelligenz findet sich in manchem Kindergarten. Wenn die Erzieherin jedem Kind ein anderes Kind als Partner zuteilt, und die Gruppe sich erst in Bewegung setzt, wenn jeder seinen Partner an der Hand hält, dann wird das Fehlen eines Kindes leichter bemerkt.
Ein Kind, dem der Partner fehlt, ist in der Lage direkt die fehlende Person zu benennen. Solange also nicht beide Mitglieder eines Paares fehlen, lässt sich so eine theoretisch sehr große Gruppe sehr viel überschaubarer halten. Zwar wäre eine Erziehrin auch anders in der Lage den Überblick zu bewahren, aber das Verfahren kann mitunter wertvolle Sekunden sparen, bspw. wenn es darum geht als Gruppe geschlossen in eine Bahn einzusteigen.
Das Beispiel hat allerdings wegen der Erzieherin einen Haken, da es zu den charakteristischen  Eigenschaften der Schwarmintelligenz gehört, dass es hier keine zentrale Steuerung gibt.

Grundlegende Eigenschaften von Schwarmintelligenz sind:
- Das System hat keine zentrale Steuerung, sondern funktioniert selbstorganisierend.
- Es gibt eine Vielzahl von Akteuren
- Die Akteure sind sich einigermaßen ähnlich


Es ist übrigens ein weit verbreiteter Irrtum, dass der Begriff “Schwarmintelligenz” aus der Biologie stamme.
Tatsächlich wurde er zum ersten mal von Gerardo Beni und Jing Wang in Zusammenhang mit dem sehr abstrakten Thema der zellulären Automaten gebraucht, von daher bestand also zunächst nur theoretisch der Bezug zu tatsächlichen Schwärmen aus dem Bereich der Biologie.
Genau genommen ist es besser sich von der Vorstellung von Tierschwärmen zu lösen, wenn man den Begriff der Schwarmintelligenz im ursprünglichen Sinne verstehen möchte.
Die Akteure der Schwarmintelligenz können Partikel eines virtuellen Systems sein.
Insofern hört man als Synonym für Schwarmintelligenz mitunter auch den Begriff der verteilten künstlichen Intelligenz, weil hier die Ursprünge dieses Konzepts liegen.  

Insofern würden Beispiele aus der Robotik sogar noch eher an diese Stelle gehören als die bekannten Beispiele aus der Tierwelt.
Der Anschaulichkeit halber wählen wir ein bekanntes Beispiel aus der virtuellen Welt:
Craig Reynolds gelang 1986 mit “Boids” ein simples Programm, in dem virtuelle Fragmente am Bildschirm Schwarmverhalten erzeugen. In Anlehnung an den oben genannten Algorithmus von Partridge lässt das Programm graphische Elemente in einer Gruppe fliegen.
Der Unterschied zur klassischen Programmierung so einer Bewegung war, dass jedes graphische Element ein sogenannter Agent ist, der sich theoretisch frei im Bild bewegen könnte.
Da er aber ein paar - wenn auch einfachen - Regeln folgt, verhält er sich als Teil eines Schwarms.
Die Bewegungen sehen so naturgetreu wie Schwarmbewegungen aus, dass der simple Algorithmus noch Jahrzehnte später in Filmen verwendet wird.

Zur Erläuterung, warum man auch von verteilter Intelligenz spricht:
Bei keinem der Beteiligten Akteure könnte man behaupten, dass er ein Träger der Schwarmintelligenz sei. Die Schwarmintellligenz steckt nie auch nur teilweise in einem  Beteiligten, sondern sie entsteht erst durch das Zusammenspiel und hört auch auf zu existieren, sobald der Prozess unterbrochen wird.  
Was sie für uns so schwer fassbar macht ist, dass sie an Abläufe gebunden ist, und nicht an materielle, greifbare Dinge. Die klassischen Naturwissenschaften waren daran gewöhnt, dass man eine Messung an einem Ding vornehmen kann um etwas nachzuweisen.  

Die Fähigkeit von Termiten Bauten zu errichten, die nicht nur erstaunlich groß sind, sondern darüber hinaus vor allem über ein erstaunliches Klimasystem verfügen wird ebenfalls zu den Beispielen für Schwarmintelligenz gezählt.
Wenn man sich vorstellt wie ein Kristall wächst, kann man sich ungefähr veranschaulichen, wie man sich das Entstehen so eines Bauwerks vorstellen kann.
Die Moleküle eines Kristalls wissen nichts davon wie der Kristall am Ende aussehen soll.
Sie folgen lediglich ein paar simplen Regeln. Diese Regeln reichen aber aus, die Form des Kristalls auf einen sehr engen Rahmen festzulegen.
Im Termitenbau sind es die Termiten, die diesen einfachen Regeln folgen. Sie kennen die Architektur nicht. Aber wenn sie von den Regeln nicht abweichen, wird ein Bauwerk nach einem ganz bestimmten Muster entstehen.

An diesem Prinzip lässt sich das typische in Erscheinung treten von Schwarmintelligenz durchaus gut veranschaulichen:
Jedes Element des Systems folgt seinem  sehr  einfachen Algorithmus.
Das System als Ganzes legt dadurch ein geändertes Verhalten an den Tag, das im Resultat der Wirkung einer Intelligenzleistung ähnlich ist oder sogar gleicht.

Gemäß unserer anfänglichen Unterscheidung von adverbialer und nominaler Intelligenz sieht es an dieser Stelle so aus, dass wir unserer Schwarmintelligenz keine nominale, sondern nur adverbiale Intelligenz zusprechen können.
Schließlich sprechen wir hier von Mechanismen und Prozessen, die zu intelligenteren Lösungen führen, bestenfalls von Systemen, deren Systemverhalten intelligenter erscheint. Nichts davon berechtigt aber an diesem Punkt, solchen Systemen die komplexe nominale Intelligenz zuzusprechen.
Ist das ein enttäuschendes Ergebnis? Im Gegenteil. An diesem Punkt beginnt es überhaupt erst spannend zu werden.

Denn warum ist es wohl gebräuchlich von Schwarmintelligenz zu sprechen, obwohl diese Bezeichnung wie wir festgestellt haben vielleicht einen zu hohen Anspruch für sich stellt?
Peniblerweise müsste man von einem Systemverhalten sprechen, das intelligenzähnliche Wirkungen entfaltet. Warum spricht man dennoch von Schwarmintelligenz?
Das dürfte wohl vor allem daran liegen, dass man in diesem Phänomen doch so etwas wie die eigentlichen Ursprünge der Intelligenz erahnen kann.

zweiter Teil

Schwarmintelligenz ist ein Phänomen, das aus einem Systemverhalten hervorgeht, welches wiederum auf dem speziellen Aufbau des jeweiligen Systems basiert. Das heißt, die Art und Weise wie etwas organisiert ist, bestimmt sein Verhalten und den jeweils mehr oder weniger intelligenten Output.
Ein Schwarm besteht dabei aus gleichen oder ähnlichen Individuen, die einem Regelsatz folgen. Das muss aber nicht immer so sein.
Es bedarf nicht grundsätzlich eines Schwarms damit ein System Effekte erzeugt, von denen es profitiert, die also dem Wirken von Intelligenz ähnlich sind.
Es gibt viele mögliche Variationen von Organisiertheit, von denen ein System profitieren kann.
Wir schauen uns hierfür einen Einzeller an.
Wir werden das Modell von den Brückenbauern noch ein weiteres mal bemühen um die Intelligenzleistung eines Schleimpilzes zu beleuchten.

Vom Flaschenzug zum Schleimpilz

Physarum Polycephalum ist ein gewöhnlicher Schleimpilz, den man für Laborzwecke käuflich erwerben kann. In der Evolutionsleiter rangiert er noch weit unterhalb der Ameise, weshalb es umso erstaunlicher klingt, dass Forscher ihn dazu gebracht haben, den Weg aus einem Labyrinth zu finden.
Einfach ausgedrückt sah der Versuchsaufbau folgendermaßen aus: Der Pilz wird in einem kleinen Labyrinth auf einem Häufchen Nahrung plaziert, damit er zunächst einfach wachsen kann. Das tut er, indem er sich in alle Richtungen ausbreitet, die ihm zur Verfügung stehen. Dabei erfasst er einen großen Teil des Labyrinths gleichmäßig, er bildet eine Art Teppich.. Irgendwann trifft er bei seinem Wachstum zwangsläufig auf ein weiteres Häufchen Nahrung, das am Ausgang plaziert ist.

Nun stellt sich eine Veränderung ein. Während der Bewuchs bis eben noch überall gleichmäßig verteilt war, entsteht zwischen der ersten Nahrungsquelle und der zweiten eine Verdickung, die sich bald zu einer regelrechten Ader herausbildet. Und damit nicht genug: Der gleichmäßige Bewuchs in den anderen Bereichen bildet sich zurück. Alles scheint sich auf die Ader zu konzentrieren, und nach einer Weile lässt sich der Teppich, der abseits der Ader gelegen hat nur noch erahnen.
Dieser Versuch wurde in verschiedenen Spielarten durchprobiert.
Japanische Wissenschaftler haben die Nahrungsquellen so angeordnet, dass die Pilzstränge die Ubahnlinien von Tokyo abgebildet haben. Tatsächlich hat der Pilz in diversen Versuchen Adern zwischen den Stationen herausgebildet, die dem Tokyoter Ubahnnetz glichen. Das heißt, die Adern waren für die kürzesten Strecken zwischen den Punkten optimiert.
Für ein einzelliges Lebewesen ist das ein sehr bemerkenswertes Verhalten.
Wir sind einer solchen Streckenoptimierung hier aber bereits begegnet, als wir untersucht haben, wie die Ameisen die kürzeste Strecke zu einer Nahrungsquelle finden, daher erscheint uns der Effekt nicht ganz so mysteriös.
Was geschieht hier?
Wir lassen die genauen chemischen Bestandteile des Vorgangs außen vor
[4]  und betrachten den Vorgang von der prinzipiellen Seite.

Wenn man dem Pilz Nährstoffe zuführt, beginnt er sich in alle Richtungen gleichmäßig auszubreiten, wo keine Hindernisse im Weg sind. Im Zeitraffer kann diese Ausbreitung wie eine Welle aussehen.
Der Einfachheit halber stellen wir sie uns deshalb wie eine Welle vor, die sich in konzentrischen Kreisen ausbreitet, ganz so wie wenn man einen Kieselstein in’s Wasser wirft.
Stoppt man die Nahrungszufuhr, kommt die Ausbreitung zum erliegen.
Gibt man an einer Stelle ein paar Haferflocken hinzu, geht von dieser Stelle eine neue Welle aus, die Nahrung wird absorbiert und in Pilzbestandteile umgewandelt, die sich ausbreiten.

Führt man nun statt an nur einer Stelle an zwei Stellen wieder Nährstoffe hinzu, so wird an genau diesen zwei Stellen der Strukturaufbau fortgesetzt, und zwar wiederum in konzentrischen Kreisen.
Wenn man zwei Kieselsteine nebeneinander in einen Teich wirft, sieht man zwei konzentrische Wellenkreise aufeinander zu laufen und sich treffen.
Genau so begegnen sich auch die Wellen des Strukturaufbaus.
Dort wo die Wellen zuerst aufeinandertreffen, liegt die kürzeste Verbindung zwischen ihren Ausgangspunkten.
Und hier setzt der gleiche Effekt ein, wie bei den Ameisen oder den Brückenbauern: Auf dieser kürzesten Strecke entwickelt das Wachstum die stärkste Dynamik und hängt alles links und rechts von sich ab.

Wie bei der Ameisenstraße werden alle Ressourcen zur Hauptader abgezogen.
Am Ende bleibt von dem Teppich, als der sich der Pilz ursprünglich ausgebreitet hat, nur die Ader auf der kürzesten Verbindung zwischen den Nahrungsquellen übrig.
Zwar gibt es sichtbare Unterschiede zwischen dem Entstehen der Ameisenstraße und dem Ausbilden der Ader bei dem Pilz.
Das Prinzip ist aber für beide Effekte das gleiche:
Im einen Fall sind es die Ameisen selbst, die den Baustoff der Straße darstellen, die sich auf der kürzesten Entfernung bildet. Im anderen Fall sind es die Nährstoffe, die den Strukturaufbau des Pilzes befördern und den Pilz selbst die Form einer Nährstoffader annehmen lassen.
Für den Pilz ist dieser Effekt von großem Nutzen, da er so die optimale Ausnutzung von Nahrungsquellen hat. Kaum jemand wird aber behaupten, dass es sich bei diesem Phänomen um eine Intelligenzleistung des Pilzes handelt.
Er hat nicht die Spur von Denkfähigkeit. Selbst die Ameisen haben mehr Grips. Aber auch diese profitieren nicht bewusst von dem Rückkopplungseffekt.
Auf solche Weise können also aus der Art wie etwas organisiert ist Effekte entstehen , die in ihrer Wirkung der von Intelligenz ähneln.
Diese Effekte sind also noch keine Intelligenz, aber sie entfalten ähnliche Wirkungen. Und sie basieren wie Intelligenz ebenfalls auf der Verarbeitung von Information.

Aber führen all diese Betrachtungen überhaupt zu einem Verständnis von Intelligenz? Lenken sie nicht vielmehr von der eigentlichen Intelligenz ab?
Die Geschichte der Intelligenz hat Spuren hinterlassen, die auf einen fließenden Übergang von scheinbar intelligenten Leistungen bis zur Entwicklung höherer Intelligenz hinweisen.
Das ist eine entscheidende Feststellung. Es könnte ja schließlich auch sein, dass Intelligenz erst ab einer gewissen Schwelle schlagartig auftritt, so wie Wasser erst ab einer bestimmten Temperatur gefriert.  
Die Evolution hat aber Spuren hinterlassen, an denen sichtbar wird, dass das natürliche Substrat der Intelligenz, also die Neurone zunächst ebenfalls pseudo-intelligente Effekte erzeugt haben.

Vom Spielzeug zur Ameise
Bei einfachen Tieren wie Fadenwürmern lässt sich nachvollziehen, dass Neurone ursprünglich nur sehr einfache Funktionen, nämlich Reflexe ausgelöst haben. Ein Hitzereiz etwa löst eine reflexhafte Kontraktion aus, die das Tier vor Verletzung schützt.
Wie das Auslösen einer Falle laufen solche Vorgänge mechanisch ab.
Die Analogie zu mechanischen Abläufen hat man schon vor Jahrhunderten erkannt. Vor dem Hintergrund der Newtonschon Mechanik, die - gerade aus der Taufe gehoben - den ganzen Kosmos wie ein mechanisches Uhrwerk erklären wollte, war man verführt gleich die ganze Biologie und somit das Leben selbst mechanisch erklären zu wollen.
Obwohl dieses mechanistische Weltbild aus heutiger Sicht eher belächelt wird, bleibt doch die Tatsache, dass manche Vorgänge in Organismen buchstäblich mechanisch ablaufen.
So kann man durchaus den bildlichen Vergleich ziehen zwischen einem Reflex und dem Auslösen einer Tierfalle.
So wie der Ast einer Schlingenfalle in die Höhe schnellt, wenn der Auslöser betätigt wird, so reagiert auch ein Muskel auf das Auslösen eines bestimmten Neurons unweigerlich.
So primitiv der Mechanismus sein mag, so sinnvoll war er. Deshalb findet sich  ein solcher  Schmerzreflex bei hochentwickelten Säugetieren immer noch genau so wie bei Würmern.
Es handelt sich um eine intelligente Lösung auch für ein Tier, das selbst nicht denken kann.
Tatsächlich kann man solche einfachen Mechanismen kombinieren und es gehört zu den erstaunlichsten Phänomenen der Biologie wie mit wenigen Neuronen bereits komplexe Effekte erzeugt werden.
So ist es kein Zufall, dass die Natur in einen Ausbau der Neuronennetzwerke investiert und die Komplexität weiter gesteigert hat.
Eine bereits einigermaßen komplexe Lösung unter Abwesenheit von nominaler Intelligenz hat man  im Nervensystem von Wüstenameisen untersucht.
Ihre Neurone erzeugen einen Mechanismus, der so etwas ähnliches wie Gedächtnis erzeugt. Wir vergleichen diese Ameise hier mit einem Spielzeug.
Zunächst stellen wir uns ein klassisches altes Blechspielzeug mit einer Metallfeder vor, ein Auto, das durch das Drehen eines Schlüssels aufgezogen wird.
Wir ziehen die Feder des Spielzeugs also auf und halten es kurz in der Hand, bevor wir es losfahren lassen.
Kann man diese Metallfeder als eine Art Gedächtnis bezeichnen? Intuitiv tut man sich eher schwer mit der  Vorstellung.
Aber: In der gespannten Metallfeder ist informationstheoretisch gesehen die Information  gespeichert, wie weit das Spielzeug fahren soll.
Jetzt denken wir ein wenig um und stellen uns ein Blechspielzeug vor, das nicht vorher aufgezogen wird, sondern erst durch das Rollen der Räder auf dem Boden. Je weiter das Spielzeug also geschoben wird, desto mehr wird die Feder gespannt.
Wenn also die Feder erst durch das Fahren gespannt wird, dann ist am Ende die Information darin gespeichert, wie weit es gefahren ist, bzw. wie weit es zurückfahren muss um zum Ausgangspunkt zurück zu gelangen. Dennoch würde kaum jemand dies als ein Gedächtnis bezeichnen.

Die Wüstenameise

Sehen wir uns aber nun eine Wüstenameise an, an der man untersucht hat, wie sie den Weg nach hause findet. Sie verlässt morgens ihr Haus auf der Suche nach Nahrung und läuft dabei kreuz und quer.
Ihre Neurone vollziehen dabei einen Algorithmus, der die  Entfernung zu ihrem Zuhause speichert und ständig anpasst.
Das Gleiche tut sie nicht nur für Entfernung, sondern auch für die Richtung des Weges, wobei wir diesen Aspekt hier der Einfachkeit halber vernachlässigen.
Sowohl Winkel als auch Entfernung werden also in Abhängigkeit von einander laufend korrigiert, wobei “laufend” hier wörtlich zu verstehen ist, weil tatsächlich der Vorgang des Laufens von den Neuronen als Input verwendet wird.
Jeder Schritt erzeugt in den Neuronen eine Spannung als ob man eine Feder aufzieht.
Wenn die Ameise den Heimweg antritt, werden die Neurone sowohl die Richtung als auch die Zahl der zu gehenden Schritte vorgeben.
Versetzt man sie um tausend Meter auf fremdes Terrain, wird sie so tun als sei dies nie geschehen. Das heißt, sie wird genau die Entfernung in genau dem Winkel zur Sonne  zurücklegen wie sie es am Ausgangspunkt getan hätte.
Die Ameise besitzt also einen ähnlichen Aufziehmechanismus wie das Blechauto, nur dass er auf neurologischer Spannung beruht, statt auf mechanischer.
Wie die Neurone den Winkel ausrechnen ist ein komplexes Unterfangen.
Einfacher ist hingegen ein anderes Prinzip, das die Neurone der Aufziehfeder des Blechautos ähneln lässt.
Lassen wir also beiseite wie sie den richtigen Winkel findet und betrachten wir lediglich, wie sie sich an die Entfernung erinnert.
Zählt sie vielleicht die Schritte? Natürlich nicht.
Ihre Neurone bauen bei jedem Schritt eine Spannung auf, die nachher wieder freigesetzt werden möchte.
Wie eine Metallfeder streben ihre Neurone danach ihre Spannung abzubauen, nur handelt es sich nicht um mechanische, sondern um die elektrische Spannung zwischen den Synapsen.

Die Ameise hat nicht im üblichen Sinne eine Erinnerung daran, wieviele Schritte sie läuft, sondern die Information darüber ist in der Spannung ihrer Synapsen gespeichert.
Das ist so, als würde das Blechauto beim fahren erst die Feder spannen, so dass die aufgebaute Spannung am Ende der Strecke genau der Spannung entspricht, die für den Rückweg benötigt wird.
[5]
Führt uns das auf die Spur von Intelligenz? Tatsächlich ja.
Denn Gedächtnis bzw. Erinnerung gehören zu den Eigenschaften von Intelligenz.
Der Vorgang des Spannungsaufbaus ist bei der Ameise erheblich komplexer als bei dem Blechauto, aber das Prinzip, das angewendet wird ist das gleiche.
Was wir bei dem Blechspielzeug als Mechanik bezeichnen, ist bei der Ameise Gedächtnis.
Effekte, die der Wirkung von Intelligenz ähneln, aber für sich genommen noch nicht als intelligent gewertet werden, sind also von der Natur selbst in das Konzept der Neurone aufgenommen worden und in das Substrat der Intelligenz, das Nervensystem eingeflossen.
Denn eines ist bei aller Uneinigkeit unbestritten: Die Neurone waren und sind Grundlage der  Intelligenz, sei es menschlicher oder tierischer Lebewesen.

So wie es aussieht hat es sich gelohnt viele solcher pseudo-intelligenter Effekte zu akkumulieren, denn die Nervenstränge haben sich im Laufe der Jahrmillionen zu Knoten von solcher Größe verdickt, dass man sie als Gehirne bezeichnen darf.
Man sieht daran, dass sich die Komplexität von pseudo-intelligenten Mechanismen steigern lässt, und dass die damit einhergehende Wirkung einer ebenfalls gesteigerten Intelligenzleistung gleicht.
An Beispielen aus der Computertechnologie lässt sich dieser Effekt viel einfacher zeigen, aber erst die Betrachtung der Evolution lässt erkennen, dass dies zugleich die natürliche Geschichte der Intelligenz ist.

Wie wir am Schleimpilz gesehen haben, gab es sogar vor der innovativen Entwicklung der Neurone Ansätze  der Natur Information mit einfachen Mechanismen so zu verarbeiten, dass das System davon profitiert.

In einigen Fällen ist das profitierende System ein einzelnes Lebewesen, wie der Schleimpilz Physarum Polycephalum.
In anderen Fällen sind es Ameisenkolonien oder Schwarmsysteme gewesen, die von einem Gruppenverhalten profitierten.
Ein Lebewesen kann also allein und für sich solche Wirkungen erzeugen, es können aber auch Individuen einer Gruppe die Wirkung mit anderen und für die Gruppe entfalten.
Im Fall der Schwarmintelligenz zeigt sich, dass Intelligenz nicht immer mit Eigennutzen zu tun haben muss. In Schwarmsystemen folgt der einzelne Akteur einem Algorithmus, der für sich genommen keinen Nutzen erzeugen muss, mitunter sogar völlig sinnlos erscheinen kann.
Erst im Zusammenspiel der Gruppe wird ein sogenanntes globales Systemverhalten daraus, das einem übergeordneten Prinzip folgt, das dem Einzelnen nützlich sein kann.
Die individuellen Teilnehmer des Systems können von so einem Prinzip profitieren ohne die geringste Kenntnis darüber zu besitzen, theoretisch können sie ohne jede Eigenintelligenz sein.

Was uns zur Unterscheidung zwischen Schwarmintelligenz und kollektiver Intelligenz bringt.

kollektive Intelligenz
 

Peter Kruse, Professor für Organisationspsychologie, Systemtheoretiker und Vordenker zu Themen vernetzter Intelligenz äußerte sich in einem Interview einmal folgendermaßen:
“...ich meine nicht Schwarmintelligenz, sondern kollektive Intelligenz - nicht viele dumme Einzelne formen Muster miteinander, sondern intelligente Einzelne verknüpfen sich in Netzwerken zu einer übergeordneten Intelligenz.”
[6]

Er benennt hier den wesentlichen Unterschied zwischen kollektiver Intelligenz und Schwarmintelligenz. Einerseits stellt er die Gemeinsamkeit der beiden heraus, nämlich dass in beiden Fällen viele oder mehrere beteiligt sind.
Zugleich spricht er davon, dass im Fall der Schwarmintelligenz viele Dumme Muster formen, was natürlich nicht heißen soll, dass Menschen, die an so einem Musterbildungsprozess beteiligt sind dumm wären, sondern vielmehr, dass zu diesem Phänomen keinerlei Intelligenz erforderlich ist. Wir erinnern uns: Auch Ameisen, Maschinen, Computeralgorithmen erzeugen diese Muster, worunter man sich Verhaltensmuster vorstellen darf. Nicht in jedem Fall ist das System ein Schwarm im klassischen Sinne.
Bei der kollektiven Intelligenz bringen viele intelligente Individuen ihre Intelligenz zusammen und erzeugen damit eine Intelligenzleistung, die der Klügste unter ihnen nicht allein erbringen könnte. Für die kollektive Intelligenz ist also Grundintelligenz erforderlich, die akkumuliert wird, während Schwarmintelligenz keine Intelligenz voraussetzt. Schwarmintelligenz erzeugt Effekte, die in ihrer Wirkung der von nominal intelligentem Handeln ähneln.
Schwarmintelligenz geht aus der Art und Weise hervor wie ein System organisiert ist.
Sie kommt als Vorläufer, bzw. Baustein der nominalen oder sogenannten “echten” Intelligenz in Frage.
Bei kollektiver Intelligenz hingegen wird nominale Intelligenz zusammengetragen um eine noch höhergradige Intelligenzleistung zu erbringen.
Die systemischen Prinzipien, die wir in Zusammenhang mit Schwarmintelligenz und organisatorischer Intelligenz untersucht haben, hatten großenteils mit positiven Rückkopplungen zu tun.
Kann man aus all dem schließen, dass das Zustandekommen von Intelligenz auf positiven Rückkopplungen basiert?
Natürlich nicht.

negative Rückkopplung

Es gibt zahllose natürliche Prozesse von Informationsverarbeitung, und da sie ungerichtet sind, haben sie völlig unterschiedliche Effekte. Ein Großteil davon flackert kurz auf und verschwindet einfach wieder, das gilt auch für Rückkopplungsprozesse.
Positive Rückkopplungen führen auch nicht automatisch zu positiven Ergebnissen, sondern vielmehr bringen sie typischerweise Systeme zum kollabieren.
Informationsverarbeitende Mechanismen können verkettet, verzahnt, akkumuliert werden, und das Ergebnis kann theoretisch etwas sehr komplexes sein, ohne dabei einen Sinn für uns zu entfalten oder für irgendetwas von Nutzen zu sein.
Ohnehin kennt die Natur keinen “Nutzen” in unserem Wortsinn.
Andererseits können einfachste Mechanismen für lebende Individuen so großen Nutzen bringen, dass sie auch bei hochentwickelten Lebewesen noch in ihrer ursprünglichen Form erhalten sind.
Mechanismen deren Effekte dem Wirken von Intelligenz ähneln gibt es viele.
Auch außerhalb der natürlichen Umwelt finden wir sie. Beispielsweise bezog sich Adam Smiths These von der “unsichtbaren Hand”, die den Markt reguliere nicht auf eine im verborgenen agierende Macht, sondern auf eben so einen Effekt, der durch selbstregulierende Kreisläufe zustande kommen sollte.
Diese Art von Kreislauf stellt das Gegenstück der selbstverstärkenden Rückkopplung dar, die wir bereits besprochen haben. Sie wird als negative oder selbstregulierende Rückkopplung bezeichnet, wobei ihr Effekt alles andere als negativ ist.
Auf diesem Prinzip basieren nämlich sämtliche unserer sogenannten natürlichen Kreisläufe, was von der Atmung über die Selbstreinigungsfähigkeit von Ökosystemen bis zum sogenannten natürlichen Gleichgewicht so ziemlich alle Bereiche der Natur erfasst.
Selbstregulierende Rückkopplungen können über Jahrtausende bestehen, wie man am  globalen Klimasystem und den großen Meeresströmungen sehen kann.

Charakteristisch ist dabei, dass sie außerdem ineinandergreifen können, mit dem Nebeneffekt, dass eine Information über mehrere Regelkreise weitergegeben werden kann.
Wenn der Keim natürlicher Intelligenz in der Schwarmintelligenz liegt, dann liegt die Formel darin Informationskreisläufe zu verbinden.
Schon wenn primitive Kreisläufe ineinandergreifen, kommt es zu erstaunlichen Effekten.
Wir betrachten das hier näher am Beispiel der negativen Rückkopplung, auch Regelkreis genannt.

Wie ein Regelkreis funktioniert ist kinderleicht zu verstehen:
Auf einer Insel leben Kaninchen von Gras. Sie vermehren sich immer mehr, bis es soviele von ihnen gibt, dass das Gras nicht mehr schnell genug nachwachsen kann. Es folgt eine Hungerperiode, und nur wenige Nachkommen überleben. Danach gibt es erheblich weniger Kaninchen. Die Grasbestände erholen sich und die Insel steht bald wieder in saftigem Grün. Nun  kann eine neue Vermehrungszeit für die Kaninchen anbrechen. Diese Pendelbewegung wiederholt sich mit mehr oder weniger starken Extremen. Die Rückkopplung gleicht die Entwicklungen aus.

Wie können die Regelkreise ineinandergreifen?
Denken wir wieder an die Kanincheninsel. Stellen wir uns vor, es gibt gerade sehr viele Kaninchen. Darüber freuen sich die Greifvögel, für die junge Kaninchen ein Festmahl sind. Die Greifvögel vermehren sich und dezimieren damit die Kaninchen bis es nur noch wenige gibt. Deshalb bricht irgendwann der Hunger für die Greifvögel an und die Zahl der Vögel geht zurück. Die Dezimierung der Kaninchen hat aber zugleich verhindert, dass das Gras der Insel völlig abgefressen wird. Das Verfolgtwerden durch die Vögel zahlt sich für die überlebenden Kaninchen dadurch aus, dass es keine ausgeprägten Hungerphasen gibt.
Normalerweise gibt es keine Nahrungskette im klassischen Sinn, sondern es gibt viele Ketten, die miteinander an vielen Stellen verknüpft sind. Je stärker die Vernetzung dieser Ketten ist, desto stabiler wird das Gesamtgleichgewicht.
So bringt die Natur Systeme hervor, die trotz ihrer Komplexität höchst stabil sind.

Die Selbstreinigungsfähigkeit von Gewässern ist hierfür ein klassisches Beispiel.
Wie das Gewässer als Ökosystem funktioniert, ist in zahlreichen Schulbüchern dokumentiert, daher soll an dieser Stelle nur kurz auf die Kreisläufe hingewiesen werden:
Zwischen den Algen und dem Tierleben besteht ein Rückkopplungskreislauf, weil die Algen die Nahrungsgrundlage darstellen, vergleichbar dem Gras und den Kaninchen auf der Insel.
Ein weiterer Kreislauf besteht aber zwischen den Algen und den Bakterien, weil diese wiederum die Nährstoffe erzeugen, die die Algen zum wachsen benötigen.
Und der dritte Kreislauf besteht wiederum zwischen Bakterien und dem  Tierleben, denn die Tiere erzeugen den organischen Abfall, von dem die Bakterien leben.  
Wie man sieht bilden die kleineren Kreisläufe hier einen großen übergeordneten Kreislauf, mit dem erstaunlichen Effekt, dass das System im Gleichgewicht bleibt und sich selbst sauber hält.
Jeder Mitspieler in diesem System leistet einen Beitrag zur Optimierung, ohne die geringste Ahnung davon zu haben.
Und das System selbst, das Biotop, stabilisiert seine eigene Persistenz, indem es für alle optimale Lebensbedingungen schafft.

So ist es auch zu erklären, dass die Natur  Jäger und Gejagte zugleich begünstigt und für eine Insektenart wie die Phasmiden, die Gespenstschrecken, ein Tarnkleid entstehen lässt, was den Eindruck entstehen lässt, die Tiere tarnten sich bewusst.
Die Natur beherbergt ein gigantisches Geflecht von Informationskreisläufen, die mit Regulierung und Optimierung beschäftigt sind.

Man sollte sich aber dadurch nicht verführen lassen, der Natur einen eigenen Willen anzudichten.
Dieses scheinbare Streben nach Persistenz, genau diese Art von Fähigkeit zur  Selbstorganisation hatten die Entdecker der Schwarmintelligenz  zunächst in den zellulären Automaten gefunden, Systemen also, die als solche nicht einmal konkret vorhanden sind, sondern auf  virtueller, auf gedachter Ebene existieren.

Die Art und Weise wie ein System organisiert ist, kann Resultate erzeugen, die dem Wirken von Intelligenz ähneln.
Die Verzahnung solcher Systeme kann übergeordnete pseudointelligente Effekte erzeugen: Effekte zweiten Grades.
Eine weitere Verzahnung bringt Effekte dritten und höheren Grades hervor.
Höhergradig pseudointelligente Effekte erzeugen höhergradige Wirkung von Intelligenz. Und einen stärkeren subjektiven Eindruck von Intelligenz für uns.
Man braucht gar nicht so viel Fantasie um darauf zu kommen, dass sehr hochgradige Pseudointelligenz auch hochgradig intelligent wirken kann.

Deshalb werden wir in der Natur Zeuge von Phänomenen, die uns frappierend intelligent erscheinen.
Manche dieser hochgradig pseudointelligenten Wirkungen waren so erfolgreich, dass die Natur sie immer weiter entwickelt hat.
Deshalb sind die Knoten von Nervenfasern in einem Fall so monströs angeschwollen, dass das menschliche Gehirn daraus wurde.

Das Gehirn

Da Rückkopplungseffekte zur Informationsverarbeitung so praktisch und einfach herzustellen sind, wäre es fast verwunderlich, wenn wir dieses Phänomen nicht auch im Gehirn antreffen würden.
Und wirklich fällt die Suche danach leicht.
Bei neuronalen Verbindungen wird gerne davon gesprochen, dass sie Trampelpfaden gleichen, die umso breiter werden, je häufiger man sie benutzt. Die Pfade, die viel gegangen werden,  entwickeln sich zu Straßen und regelrechten mehrspurigen Autobahnen.
Schon dieses Bild legt den Gedanken an die Ameisenstraße nahe.
Wenn nun ein Hund gefüttert wird, nachdem jemand mit einem Glöckchen geläutet hat, dann reicht die Erinnerung an das Geräusch des Glöckchens aus um eine schwache neuronale Verbindung zwischen dem akustischen Reiz des Glöckchens und dem des Futters zu erzeugen.
Dabei denkt sich der Hund zunächst nichts weiter.
Wenn dies aber immer wieder geschieht, wird die Verbindung irgendwann so stark, dass der Hund automatisch nach dem Läuten des Glöckchens Futter erwarten wird.
Chemisch betrachtet übernehmen hier sogenannte Neurotrophine die Rolle, die im Fall der Ameisenstraße die Pheromone gespielt haben:
Je öfter oder stärker eine Verbindung gereizt wird, desto mehr wird sie mit den Neurotrophinen versorgt. Diese wiederum bewirken, dass die bestehenden Verbindungen vergrößert werden und zukünftige Reize umso stärker ausfallen.
Der Effekt ist der eines Trampelpfads: Je mehr Menschen ihn benutzen, desto breiter wird er. Und in der Konsequenz kommen umso mehr Menschen um ihn zu benutzen.
Ein weiteres mal sei an die Brückenbauer erinnert, bei denen genau dieser Rückkopplungseffekt ebenfalls aufgetreten ist.

So können beliebige Dinge verknüpft werden. Ein einfaches Gehirn stellt ohne jede Analyse Verbindungen zwischen zwei Ereignissen her, also zwischen zwei Punkten auf einer zeitlichen statt einer räumlichen Landkarte.
Das ist ein wesentlicher Unterschied zu den vorher beschriebenen Vorgängen bezüglich der  Ameisen und des Schleimpilzes. Bei den Ameisen und dem Pilz wurden Punkte der räumlichen Landkarte verbunden.
Bei der Fütterung nach dem Glöckchenläuten jedoch werden zeitliche statt räumlicher Punkte verbunden: Ereignisse.
Tatsächlich haben diese Abläufe aber vieles miteinander gemein.
Wenn auf das Klingeln tatsächlich zuverlässig die Fütterung folgt, dann stellt diese eine neuronale Verbindung für den Hund eine Linie auf einer zeitlichen statt räumlichen Landkarte dar.
Je mehr solcher Verbindungen ein Lebewesen besitzt, desto besser kennt es die zeitliche Landkarte, in der es sich bewegt. Um so mehr Vorhersagen kann es also machen.
Tatsächlich lässt sich diese zeitliche Landkarte in einer einfachen Umwelt sogar einigermaßen brauchbar als kausale Landkarte verwenden.
Ein Strich in der zeitlichen Landkarte, der besagt "Nach A folgt B", lässt also meistens auch die Annahme zu "weil A folgt B"
Das heißt, wenn es nach Essen riecht, dann wahrscheinlich weil Essen in der Nähe ist.  
Mit einer ausreichend großen zeitlich/kausalen Landkarte wird ein Lebewesen des öfteren in der Lage sein Vorhersagen zu treffen, die sein Leben (oder das seiner Kinder) retten.

Die mit Abstand größte zeitlich/kausale Landkarte, die uns bekannt ist, trägt der Mensch in seinem Kopf.
Mit geschätzten hundert Milliarden Neuronen und dem bis zu zehntausendfachen an Verbindungen zwischen diesen ist das menschliche Gehirn aktuell immer noch Rekordhalter wenn es darum geht Intelligenzleistungen von hoher Diversität zu erbringen, auch wenn der Mensch in einzelnen Bereichen wie im Schach von Computern geschlagen wurde.

Nun darf man fragen: Wenn die Menge der Neurone den Unterschied ausmacht, dann müsste es ja reichen, einen Computer mit enormer Rechenkapazität hinzustellen und zu warten, dass dieses System anfängt zu denken? Warum hat das nie funktioniert?
Die Antwort ist simpel: Es ist natürlich nicht die Menge allein.
Wenn man die natürlichen Informationskreisläufe betrachtet, die wir bisher untersucht haben, dann stellt man fest, dass jeder mit einer Funktion verknüpft war. Jeder noch so kleine Informationskreislauf wurde in Jahrmillionen währenden Testphasen auf den evolutorischen Prüfstand gestellt. Daraus ist langsam ein sinnvoll zusammenhängendes System gewachsen.
So ein Wachstum lässt sich nicht allein mit ein paar Zeilen Code ersetzen, und auch nicht mit entsprechend viel mehr.

Das heißt: Die schiere Menge an informationsverarbeitenden Einheiten und deren Verkettung reicht  nicht aus um das Gehirn zu dem zu machen, was es ist.
Es beschränkt sich nämlich nicht darauf pseudointelligente Effekte zu erzeugen.
Ein entscheidender Punkt sollte zur Unterscheidung von Intelligenz und prä-intelligentem Systemverhalten nicht unerwähnt bleiben:
Prä-intelligentes Systemverhalten hat typischerweise die starre Fähigkeit eine oder mehrere Funktionen zu erfüllen.
Es folgt einem vorgegebenen Algorithmus, der aus der Art und Weise hervorgeht wie das System organisiert ist.
Je primitiver das System ist, desto festgelegter ist es dabei.
Was wir unter höherer Intelligenz verstehen, bewältigt diese Aufgaben nicht aus der Art und Weise heraus wie es organisiert ist, sondern es organisiert sich neu, sobald eine Aufgabe erscheint, für die noch kein Algorithmus vorhanden ist.
Das Gehirn ist in der Lage sich blitzschnell neu zu organisieren, mit jeder Erinnerung, die es speichert, jedem Muster, das es erkennt, jeder Vorhersage, jeder Erkenntnis.

Auf dem Weg zu dieser Wunderwaffe hat die Natur zahllose Zwischenschritte in Milliarden von Jahren durchlaufen.
Dabei lassen die unterschiedlichen Tierarten graduelle Unterschiede  in der Intelligenz erkennen, die nicht stark sprunghaft, sondern vor allem kontinuierlich sind.  
Wie der Homo Sapiens hierbei einen so entscheidenden Sprung nach vorne machen konnte, ist nicht Gegenstand dieser Untersuchung.
Entscheidend ist, dass die Entstehung der Intelligenz nicht erst mit dem Homo Sapiens begonnen hat.
Die Entstehung von Intelligenz als historischer Prozess ist lange Zeit sehr kontinuierlich verlaufen.
Diese Erkenntnis ist alles andere als neu.
Die beschriebenen Sachverhalte sind ja so schon lange bekannt.
Die Entstehung von Intelligenz als historischer Prozess ist aber nicht das Gleiche wie das Entstehen von Intelligenz.
Das Entstehen von Intelligenz ist ein anhaltender Vorgang, der sich ohne Pause um uns herum abspielt, mit jedem neugeborenen Lebewesen, das zu Lernen beginnt.
Vor allem eines ist das Entstehen von Intelligenz nicht:
Abgeschlossen.




[1] [Len Fisher, "Schwarmintelligenz", Eichborn Verlag 2010, S.91:
"-Die Angehörigen der Gruppe müssen ihre Entscheidungen unabhängig voneinander treffen, das heißt, sie dürfen einander nicht beeinflussen.
- Sie müssen objektiv sein. 
- Sie müssen dieselbe Frage beantworten.
- Sie müssen gut informiert sein, um in einer Entscheidungsstuation mit mehr als 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit die richtige Wahl zu treffen. - Es muss eine richtige Antwort geben."]



[2] [Len Fisher, "Schwarmintelligenz", Eichborn Verlag 2010, S.114:
"Es gibt einen kleinen aber feinen Unterschied zwischen Schwarmintelligenz und Gruppenintelligenz. Letztere ist ein Problemlösungsansatz, der die Vielfalt der Gruppe nutzt. Schwarmintelligenz entsteht dagegen spontan aus den lokalen Interaktionen zwischen den einzelnen Angehörigen einer Gruppe."]

[3] [Die Entdeckung der Intelligenz oder können Ameisen denken? Intelligenz bei Tieren und Maschinen (Holk Cruse, Jeffrey Dean, Helge Ritter; - München: Beck-Verlag, 1998), S. 18:
"Dieser Vergleich weist auf eine wichtige Unterscheidung hin: “intelligent” als Eigenschaft und intelligente Lösung für ein bestimmtes Problem, stellt Watts folgenreiche Erfindung des Fliehkraftreglers dar. Dies ist eine einfache, aber sinnreiche mechanische Einrichtung (Abb.8), die bei einer Dampfmaschine die Drehzahl auch gegenüber Störeinflüssen konstant hält. Das System scheint also ein bestimmtes Ziel, nämlich die Einhaltung einer vorgegebenen Drehzahl, zu verfolgen und tut dies durchaus erfolgreich. Man kann von einer intelligenten Lösung sprechen, ohne damit zu meinen dass das System, welches diese Lösung darstellt, als solches die Fähigkeit der Intelligenz besitzt. Letztere würde man eher dem Erfinder zusprechen, da dieser für ein gegebenes Problem eine neue Lösung gefunden hat. Im ersten Fall spricht man vom adverbialen Gebrauch, im zweiten Fall vom nominalen Gebrauch des Begriffes Intelligenz. Aus dem Englischen übernommen, verwendet man entsprechend auch die Begriffe der “prozessualen” beziehungsweise der “inhaltlichen Intelligenz” (intelligence of process or by design versus intelligence of content)."]

[4] [http://epub.uni-regensburg.de/10382/1/Doktorarbeit.pdf

von Anton Brandmaier Uni Regensburg:
"Die natürliche Heimat von Physarum polycephalum  sind die feuchtwarmen Wälder in den Tropen und Subtropen. Die auffällig gelb gefärbten Plasmodien (Kapitel 1.1.2)

leben vorwiegend auf modrigem Holz unter Lichtausschluß. Ihre Nahrung stellt totes oder lebendes organisches Material, z.B. Bakterien dar, die durch Phagozytose aufgenommen werden. Die negativ phototaktischen Plasmodien gelangen durch chemische Reizwirkungen zum geeigneten Substrat. An der  Fortbewegung ist ein Myosinähnliches Protein beteiligt. Die Form der Plasmodien ist variabel, da sie nicht von einer festen Zellwand umgeben sind. Im Zellinneren können sich bis zu 10 ^ 9 Kerne befinden. Diese entstehen durch synchrone mitotische Teilungen. Eine starke Plasmaströmung ist für die Transport-und Verteilungsaufgaben in der großen Zelle verantwortlich. Diese Strömung kann im Phasenkontrastmikroskop innerhalb von so genannten Adern beobachtet werden, die ein Makroplasmodium durchziehen. Am wachsenden Rand des Plasmodiums werden die Kanäle immer enger und zeigen eine zunehmende Verzweigung. Einige Kanäle breiten sich ringförmig um das Zentrum aus. Die Plasmaströmung besitzt eine Geschwindigkeit von etwa 1 m/sek und kehrt ihre Richtung etwa jede Minute um (Kamiya, 1959). Die Strömung wird durch eine regelmäßige Oszillation des Plasmodiums hervorgerufen. Es handelt sich dabei um Zyklen von Kontraktion und Relaxation mit einer Dauer von etwa 2 - 3 min (Ishigami, 1986). Für die Oszillation wiederum ist der Auf- und Abbau von Fibrillen oder Mikrofilamentbündeln aus Actomyosin verantwortlich. Der Auf- und Abbau von Filamentbündeln wird hauptsächlich an der Peripherie des Plasmodiums (anterior region) und weniger im Zentrum (posterior1 Einleitung 5 region)  beobachtet. Sobald sich das Plasmodium zusammenzieht, bildet sich an der Peripherie ein dichtes Netzwerk aus Fibrillen, das sich beinahe komplett auflöst ,sobald die Relaxationsphase beginnt. Die parallelen Microfilamentbündel im Zentrum werden dagegen kaum abgebaut. Die Strömung wird durch Unterschiede des lokalen inneren Drucks generiert, die durch Oszillation entstehen.
Makroplasmodien und ihre Plasmaströmung ermöglichen es, gezielt Substanzen durch Injektion in ihre dern einzubringen  und ihren Einfluß auf Polymalat und Polymalatase zu untersuchen.]

http://epub.uni-regensburg.de/10382/1/Doktorarbeit.pdf

von Anton Brandmaier Uni Regensburg]

siehe auch:
[http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,673295,00.html :
"Was Ingenieure mit großem Aufwand versuchen, scheint für den Schleimpilz Physarum polycephalum eine Kleinigkeit: Verkehrswege möglichst effizient zu bauen. Die Kreatur windet sich auf kürzestem Weg aus Labyrinthen oder kopiert Verkehrswege. Nun soll sie Robotern das Navigieren beibringen.
Er gehört zu den ältesten Lebensformen - und Intelligenz würde man dem schleimigen Winzling wohl kaum zusprechen. Und doch weist der gelbliche Schleimpilz Physarum polycephalum den Weg zu komplexen Verkehrssystemen.
Bahnnetze planen Ingenieure mit einigem Aufwand, um die Ortschaften möglichst effizient miteinander zu verbinden. Für Physarum polycephalum scheinen solche Art Konstruktionen eine Kleinigkeit, dabei verfügt er weder über Augen, noch über andere höhere Sinnesorgane. Der schleimige Organismus konstruiere ein entsprechendes Wegenetz reflexartig, berichten Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe des Magazins "Science
". ]
siehe auch:
[http://plasmatracking.vdhelm.net/
Physarum polycephalum ist ein echter Schleimpilz. Echte Schleimpilze bilden vielkernige Riesenzellen (Plasmodien). Im Inneren dieser Zellen ist eine rasche Zellplasmaströmung unter dem Mikroskop erkennbar. Die Strömung sorgt für eine gleichmäßige Verteilung von Nähr- und Botenstoffen, die durch die Größe der Zelle durch Diffusion allein nicht mehr gewährleistet ist. Durch Kontraktionen der Plasmamembran und unterschiedliche Viskosität wird das Zellplasma durch ein vernetztes System von Adern gepumpt. Daran sind Maßgeblich Aktin und Myosin, zwei Proteine des Cytoskeletts beteiligt. Filamentöses Aktin gibt der Zelle ihre Form. Myosin wirkt zusammen mit Aktin als ATPase und ist vor allem für die Kontraktion der Plasmamembran, sowie für den Transport von Vesikeln in der Zelle verantwortlich. Diese beiden Proteine kommen in ähnlicher Form in allen eukaryotischen Zellen, vor allem aber auch in menschlichen Muskelzellen vor.]
siehe auch:
[http://www.science-at-home.de/referate/schleimpilz.php
"Schleimpilze oder Myxomyzeten zeichnen sich durch eine charakteristische vielkernige Protoplasmamasse aus – das sogenannte Plasmodium. Sie bestehen aus einer einzigen Zelle mit Milliarden von Zellkernen. Die Zellkerne verdoppeln sich sehr rasch und können die Bildung von röhrenartigen Scheingliedern – sogenannten Pseudopodien anregen, mit deren Hilfe der Organismus imstande ist, sich zu bewegen. Wie japanische Forscher vom Bio-Mimetic Control Research Center unter der Leitung von Toshiyuki Nakagaki herausfanden, berichtet die Fachzeitschrift Nature, kann sich der Schleimpilz namens Physarum polycephalum nicht nur bewegen, sondern auch intelligente Entscheidungen treffen. Dazu nahm das Forscherteam ein 25x35 Zentimeter großes Labyrinth aus einer Kunststoffschablone und füllte die „Gänge“ mit einer Nährstofflösung. In der Mitte wurde der Pilz platziert, der sich ziemlich bald über die ganze Agar-Lösung ausbreitete. Dann legten die Forscher an jeweils beiden Enden des Labyrinths zwei Häufchen Haferflocken, wonach der Pilz begann, sich in der Mitte zurückzutrennen und allmählich zu den Futterstellen zu wandern. Dabei hätte der Physarum polycephalum zwischen vier Gängen wählen können, von denen jeweils einer um 22% länger als der nächst beste war. In allen Versuchen nahm der Pilz immer den kürzeren Weg. Es scheint, so Nakagaki, „dass zelluläre Materie primitive Intelligenz aufweist.]“
siehe auch
https://www.youtube.com/watch?v=5UfMU9TsoEM
https://www.youtube.com/watch?v=GwKuFREOgmo
https://www.youtube.com/watch?v=2UxGrde1NDA

 

[5] [Die Entdeckung der Intelligenz, S. 94 ff]

[6] http://www.youtube.com/watch?v=2UsdNi4iCsM
Peter Kruse: "“und ich meine nicht Schwarmintelligenz, sondern kollektive Intelligenz - nicht viele dumme einzelne formen Muster miteinander, sondern intelligente Einzelne verknüpfen sich in Netzwerken zu einer übergeordneten Intelligenz.”


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